In jedem zweiten Schweizer Unternehmen kommt es zu Spannungen mit externen Personen. Dabei kommt es zu Beschimpfungen, Unhöflichkeiten, Drohungen sowie verbalen und physischen Attacken. Die Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, geeignete Präventionsmassnahmen zu ergreifen. Natürlich gibt es dabei keine absolute Sicherheit, kein Nullrisiko. Es gibt jedoch Strategien mit denen Unternehmen diesem beunruhigenden Phänomen besser begegnen können.
Eine körperliche Attacke kann gravierende gesundheitliche Folgen haben: Diese reichen von Prellungen über Verletzungen mit bleibenden Schäden, bis hin zum Tod. Auch die psychischen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Viele Opfer entwickeln Symptome, die zum posttraumatischen Belastungssyndrom gezählt werden müssen. In gewissen Fällen haben auch Zeugen einer Attacke mit psychischen Folgen zu kämpfen. Die durch Gewalttaten ausgelöste Angst löst allgemein bei allen involvierten Personen Stress aus. Aggressives Verhalten, Drohungen, Unhöflichkeiten und Beschimpfungen sind ein Gesundheitsrisiko für die betroffenen Mitarbeitenden. Bestehen solche Risiken, müssen sie in der Prävention besonders beachtet werden.
Die Gesetze zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmenden sind
auch auf die Gewaltprävention in Unternehmen anwendbar. Aus diesem Grund
sind die Arbeitgeber verpflichtet, Massnahmen zur Gewaltprävention zu
treffen. Welche das sind, ist im Gesetz nicht festgelegt.
Es ist
deshalb Aufgabe der Arbeitgeber, solche Massnahmen festzulegen, umzusetzen
und zu prüfen, ob sie ihre Schutzfunktion für die Mitarbeitenden erfüllen.
In jedem zweiten Schweizer Betrieb kommt es zu Spannungen mit externen Personen (Kunden, Patienten, Leistungsempfängern usw.). Von diesen Unternehmen gibt nur die Hälfte an, ein Vorgehen festgelegt zu haben, um der Gewalt von aussen zu begegnen1. Eine weitere Studie2 zeigt, dass innerhalb von zwölf Monaten rund 13% der Berufstätigen in der Schweiz während der Arbeit beschimpft, 4% bedroht und 2% physisch angegriffen wurden. Von Beschimpfungen, Unhöflichkeiten, Drohungen sowie verbalen und physischen Attacken sind immer mehrere Mitarbeitende betroffen. Solche Aggressionen kommen zudem in allen Branchen vor. Die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen, die vielen verschiedenen mit Gewalt konfrontierten Arbeitsbereiche und die Vielfalt der Situationen, die zu Aggressionen führen können, erfordern, dass die Unternehmen greifende, systematische und auf ihr Umfeld angepasste Präventionsmassnahmen umsetzen.
Eine Strategie zur Minimierung des Risikos externer Gewalt muss vier Elemente umfassen: Eine Beschreibung der Risikosituationen, eine Festlegung und Umsetzung der geeigneten Präventionsmassnahmen, Notfallmassnahmen und die Unterstützung der Opfer.
Ziel einer systematischen Analyse ist das Erkennen von Arbeitssituationen, bei denen es zu heiklen Begegnungen kommen kann oder die zu Unzufriedenheit oder Spannungen führen können. Dabei müssen auch potenzielle Situationen erfasst werden, die zu solchem Verhalten führen könnten. Es müssen zudem Situationen aufgeführt werden, in denen Mitarbeitende besonders gefährdet sind (etwa wenn jemand allein nach Ladenschluss den Tageserlös zur Bank bringen muss). Wichtig ist dabei die möglichst genaue Beschreibung der Situationen (Kontext, beteiligte Personen, erleichternde und erschwerende Faktoren, Häufigkeit usw.). Diese Beschreibung bildet die Grundlage des weiteren Vorgehens. Sind die heiklen Situationen erkannt, ist es möglich, prioritäre Handlungsziele und Präventionsschritte festzulegen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die mit Gewalt von aussen verbundenen Risiken zu reduzieren. Eine häufige Massnahme ist der Einbau von gesicherten Schaltern, Eingangsschleusen oder Alarmknöpfen für heikle Situationen. Auch die Schulung der Mitarbeitenden in der Technik der verbalen Deeskalation senkt das Risiko eines Gewaltausbruchs der Kunden. Zudem gibt es sehr viele effiziente, je nach Fall einsetzbare Massnahmen. Eine davon kann sein, die Mitarbeitenden von den Kunden zu trennen. Spannungen lassen sich auch abbauen, indem die Information verbessert, die Bearbeitungszeit verringert oder die Transparenz über die Abläufe erhöht wird. Meist ist eine Kombination der verschiedenen Massnahmen die optimale Lösung. Neben der Gewaltprävention wird dadurch eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität ermöglicht. Sobald feststeht, welche Massnahmen eingeleitet werden müssen, ist es empfehlenswert, einen Zeitplan für ihre Umsetzung festzulegen und diesen den Mitarbeitenden zu kommunizieren.
Notfallmassnahmen gegen Gewalt müssen in gleicher Weise organisiert werden wie jene gegen anderen Risiken, etwa Notfallmassnahmen bei einem Brand. Sie haben zum Ziel, alle Personen rasch in Sicherheit zu bringen, die Polizei zu benachrichtigen, die betroffenen Mitarbeitenden zu versorgen und allenfalls den Täter zu identifizieren. Die Mitarbeitenden und ihre Vorgesetzten müssen über diese Massnahmen informiert und dazu geschult werden. Dies gilt auch für neue Mitarbeitende, Aushilfen und Praktikanten usw. Die Massnahmen müssen zudem regelmässig geprüft, getestet und aktualisiert werden.
In den ersten Stunden nach einer Attacke ist die Unterstützung durch den Arbeitgeber sehr wichtig. Dem Opfer zeigen die Massnahmen und die zur Verfügung gestellten Ressourcen, dass er oder sie dem Unternehmen wichtig ist. Die Opfer können auf verschiedene Weise unterstützt werden:
Zusätzlich zur direkten Unterstützung der betroffenen Mitarbeitenden muss das Kader über das Vorgehen informiert und dazu geschult werden. Es empfiehlt sich, in diesen Schulungen auch Aspekte der internen und externen Kommunikation (insbesondere gegenüber den Medien) zu thematisieren.
Es gibt kein Wundermittel zur Verhinderung von Gewalt von aussen in Unternehmen. Es gibt jedoch Faktoren, welche die Effizienz der getroffenen Massnahmen stark erhöhen:
Gewalt ist ein weit verbreitetes Problem für Unternehmen in der Schweiz. Immer mehr Betriebe müssen deshalb Präventionsmassnahmen ergreifen. Die Herausforderungen sind gross und erfordern ein systematisches, effizientes und nachhaltiges Vorgehen.
[1] Studie ESENER: Europäische Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken
[2] Krieger et al. 2017; Sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen: 2015; Ausgewählte Ergebnisse zu den Schweizerischen Arbeitsbedingungen der abhängig Erwerbstätigen
Dieser Artikel wurde erstmals im EKAS Mitteilungsblatt Nr. 85 im November 2017 publiziert. Autor: Marc Arial, Ressortleiter Grundlagen Arbeit und Gesundheit, SECO, Bern