Ein Beinbruch kann sich beim Skifahren ereignen, ein Schleudertrauma bei einem Autounfall. In der Freizeit, insbesondere beim Sport, setzt man sich – mehr oder weniger bewusst – verschiedenen Unfallrisiken aus. Doch viele Unfälle geschehen auch in alltäglichen Situationen, die auf den ersten Blick wenig gefährlich erscheinen. So sind laut aktueller Statistik Unfälle im Büro keine Seltenheit. Jedes Jahr ereignen sich rund 15'000 Unfälle in Bürobetrieben.1 Sie verursachen durchschnittliche Versicherungskosten von rund 74 Millionen Franken pro Jahr.
Ein Päckli wird ins Büro geliefert, rasch ein Griff zum Cutter und voller Vorfreude – aber ohne nötige Vorsicht – soll die Verpackung entfernt werden. Oder das eben ausgedruckte Konzept vertieft studierend, übersieht man den normalerweise unproblematischen Altpapierstapel neben dem Kopierraum. So schnell kommt es zu Schnittwunden oder Stolperunfällen im Büro.
Das Risiko, in einem Büro des Dienstleistungssektors, zum Beispiel in der Finanz- und Versicherungsbranche, in Architekturbüros oder in Verwaltungen zu verunfallen, wird oft unterschätzt. Arbeitssicherheit ist auch im Büro ein Thema, gerade, weil die Gefahrenquellen im Büro nicht offensichtlich sind oder als nicht gravierend wahrgenommen werden. Auch sind die Möglichkeiten, sich gegen Verletzungen zu schützen, viel weniger verbreitet als die persönliche Schutzausrüstung auf dem Bau oder in der Produktion.
Um Unfälle zu vermeiden, hilft es zu verstehen, wo und wie diese passieren. Hier eine Liste der häufigsten Unfallhergänge im Büro:2
Der weitaus häufigste Unfallhergang ist das «Ausgleiten, Abgleiten oder Abrutschen». Ein Drittel (33%) aller anerkannten Berufsunfälle sind Stolper- und Sturzunfälle. Diese ereignen sich häufig auf Treppen. Aber auch nicht markierte Schwellen, lose Kabel und mit Hindernissen verstellte Verkehrswege können zu Stolperfallen werden. Oft sind bei schlimmen Sturzunfällen nasse Böden, mangelhafte Beleuchtung oder ungeeignetes Schuhwerk im Spiel.
Mit 19% ist der zweithäufigste Unfallhergang «Getroffen werden, Rückschlag». Dazu zählen Zusammenstösse mit Personen, Gegenständen oder Hilfsmitteln für den Warentransport.
Fast so häufig (17 %) entstehen im Büro Schnitt-, Kratz- oder Schürf-Verletzungen. Vorsicht also im Umgang mit Handwerkzeugen, wie Cutter, Schneidmaschinen oder Scheren und natürlich auch beim Entsorgen von Glasscherben.
Das «Anschlagen, Anstossen an etwas, Anfassen» (13%) passiert am vierthäufigsten. Beispielsweise wenn eine Schublade nach dem Öffnen nicht umgehend wieder geschlossen oder wenn eine nicht markierte Glastüre übersehen wird, kann eine kleine Unachtsamkeit ziemlich schmerzhaft werden.
Schwere Unfälle durch das «Umfallen von Gegenständen» wie Archivregalen oder Schubladenstöcke machen 10% der gesamten Berufsunfälle in diesen Betrieben aus.
Weitere 22% der Berufsunfälle setzen sich durch verschiedene Hergänge zusammen. Dazu gehören körperliche Überlastungen wie Heben, Angefahren werden, Quetschungen durch Eingeklemmt werden, durch das Einatmen oder in Berührung kommen mit Stoffen. Beispielsweise durch Reinigungsmittel oder Lösungsmittel von neuen Bodenbelägen, welche neben Verätzungen auch allergische Reaktionen auslösen können.
Als nächstes drängt sich die Frage auf, wie diese Unfälle verhindert werden könnten? Dazu müssen die Ursachen identifiziert werden.
Dazu gehören technische und bauliche Mängel wie Stolperstellen, Abnutzung, enge Platzverhältnisse oder mangelhafte Verkehrs- und Fluchtwege.
Weitere, oft unterschätzte Ursachen für Unfälle sind Stress, Zeitdruck, Überforderung oder mangelnde Kommunikation. Organisationsmängel wirken sich auf das Arbeitsklima und das Wohlbefinden aus. Wenn diese nicht stimmen, lässt auch die Konzentration und Motivation nach. Ermüdung, sinkende Leistungsfähigkeit und erhöhte Fehlerraten steigern den Zeitdruck zusätzlich. Ein Teufelskreis bahnt sich an.
Neben Arbeitsorganisation und Gebäudeunterhalt ist auch das Bewusstsein und entsprechende Verhalten jedes Einzelnen entscheidend. Wenn die Augen während dem Treppensteigen im Handybildschirm versinken oder wenn das Büro in letzter Minute hastig für ein Meeting verlassen wird, kann ein Treppentritt leicht zur Stolperfalle werden. Oder wenn aus Bequemlichkeit schnell der Bürostuhl statt die Bockleiter als Steighilfe eingesetzt wird, kann das böse Folgen haben.
Menschliche Faktoren spielen also eine wichtige Rolle bei den Ursachen und damit auch bei der Prävention von Unfällen. Ein Klassiker unter den Stolperfallen ist beispielsweise das Deponieren von Handtaschen, Mappen oder Papierkörben in den Verkehrswegen. Unfälle im Büro liessen sich hier ganz einfach vermeiden: Taschen gehören unter den Tisch oder auf eine Ablage.
Im Gegensatz zur Baustelle tragen also Helm oder Stiefel mit Stahlkappen am Büroarbeitsplatz herzlich wenig zur Sicherheit bei. Vielmehr braucht es einen wachen Geist und einen aufmerksamen Blick, um Risiken und Gefahrenquellen zu erkennen.
1 Beinhaltet Betriebe aus dem Dienstleistungssektor mit vorwiegender Bürotätigkeit der Kategorien NOGA 2008: 58, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 69, 70, 73, 74, 77, 79, 82, 91, 94. Quelle: SSUV, UVG-Statistik 2005-2014, Hochrechnung aus Stichproben.
2 Inkl. Mehrfachzählungen, da ein Unfall mehrere Hergänge haben kann, ergibt die Summe der Einzelkategorien mehr als das Total der Fälle.